Unsere Kolumne: Gläserne Wände für nichtreligiöse Menschen

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Gläserne Wände für nichtreligiöse Menschen

Aus dem humanistischen Gesprächskreis (HGK) Worms

Alle Bürgerinnen und Bürger haben in unserer Gesellschaft die gleichen Rechte. Dazu gehört auch, dass alle ihre weltanschaulichen Überzeugungen leben können, und zwar gleichgültig, ob dies religiöse oder nichtreligiöse Überzeugungen sind. Soweit allerdings nur die Theorie. Leider sieht die Wirklichkeit anders aus: Viele nichtreligiöse Menschen machen die Erfahrung, dass sie die entsprechenden Rechte zwar zugesagt bekommen, sie aber faktisch nicht in Anspruch nehmen können. Sie stoßen an gläserne Wände – ähnlich wie Frauen trotz gesetzlich fixierter Gleichberechtigung die gläserne Decke nach oben in Führungspositionen nur sehr schwer durchstoßen können.

Beispiel 1: Da möchte ein Pfleger in einem Krankenhaus oder in einem Seniorenheim arbeiten. In manchen Gegenden Deutschlands kann es ihm passieren, dass er auf Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft angewiesen ist, weil es in diesem Berufsfeld gar keine anderen Arbeitgeber gibt. Ist er allerdings kein Kirchenmitglied, bekommt er keinen Arbeitsvertrag. Tritt er während seiner Anstellung aus der Kirche aus, riskiert er eine fristlose Kündigung, in einer katholischen Einrichtung sogar schon, wenn sein privater Lebenswandel nicht den moralischen Vorstellungen der katholischen Kirche entspricht, wenn er also z.B. als Geschiedener wieder heiraten möchte oder offen homosexuell lebt.

Beispiel 2: Da wollen Eltern nicht, dass ihr Kind in einem städtischen, also nichtkonfessionellen Kindergarten christlich erzogen wird, was beispielsweise durch regelmäßige Gebete geschieht. Als Lösung wird ihnen vorgeschlagen, dass das Kind zwischenzeitlich im Waschraum warten könne.

Beispiel 3: Da möchte jemand die christlichen Kirchen in Deutschland ganz bewusst finanziell nicht unterstützen und muss erfahren, dass er indirekt doch dazu gezwungen wird, weil die Gehälter für Bischöfe und Religionslehrer, aber auch die Kosten für Kirchentage und religiöse Rundfunksendungen aus dem allgemeinen Steueraufkommen entweder ganz bezahlt oder zumindest großzügig bezuschusst werden.

Viele solcher Fälle, in denen nichtreligiöse Menschen benachteiligt wurden, hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gesammelt, auch entsprechende Gerichtsurteile. Diese Behörde, die 2006 mit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gegründet wurde, berät Bürger, die wegen ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Weltanschauung, einer Behinderung oder der sexuellen Identität diskriminiert wurden, und legt dem Bundestag regelmäßig Berichte vor. Im Jahr 2016 hat sie ihren Schwerpunkt auf Diskriminierungen aufgrund der Weltanschauung gelegt und hat dazu eine eigene rechtswissenschaftliche Studie erstellt: Weltanschauung als Diskriminierungsgrund – Begriffsdimensionen und Diskriminierungsrisiken.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das größte strukturelle Diskriminierungsrisiko für diese Menschen darin liegt, dass sie aufgrund der Dominanz religiöser Vorstellungen in unserer Gesellschaft als moralisch minderwertig eingestuft werden, wobei diese Dominanz nicht durch die Zahl der tatsächlich Gläubigen zustande kommt, sondern durch die vielfältigen, heute nicht mehr zu rechtfertigenden Privilegien der religiösen Institutionen. Außerdem gibt sie einen knappen Überblick über rechtliche Handlungsbedarfe.

Eine ausführliche Zusammenstellung von konkreten Empfehlungen, wie Diskriminierungen verhindert oder beseitigt werden können, bietet die Publikation des Humanistischen Verbandes Deutschlands Gläserne Wände. Bericht zur Benachteiligung nichtreligiöser Menschen in Deutschland(2015), auf die auch die Studie der Antidiskriminierungsstelle zurückgegriffen hat. Der Bericht kann von der Internetseite www.glaeserne-waende.de/download heruntergeladen werden.

Hedwig Toth-Schmitz, 7. Dezember 2016