Offener Brief an die Redaktion der Landesschau aktuell Rheinland-Pfalz SWR Fernsehen

Offener Brief an die Redaktion der Landesschau aktuell Rheinland-Pfalz des SWR-Fernsehens

Mainz, den 20. November 2016 · Diesen offenen Brief als PDF herunterladen · Auf Facebook

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Becker,

in Ihrer Sendung vom 18. November 2016, 19:30 Uhr berichten Sie von dem Beschluss der Synode der Evangelischen Kirche der Pfalz, durch ihr Programm „Religion – Werte – Bildung“ Religion in Kindertagesstätten stärker in den Vordergrund zu rücken.

Einleitend stellen Sie richtig fest, dass immer mehr Menschen aus der Kirche austreten und Kinder seltener getauft werden. Die formale Art und Weise, in der Sie diese Information mit dem folgenden Bericht über die Kirchensynode verknüpfen, suggeriert, dass hier ein Problem und die Lösung dieses Problems dargestellt werden sollen.

In der Tat vollzieht sich in unserer Gesellschaft eine Entwicklung weg von christlichen Überzeugungen – entweder zu anderen, oft neuen Formen von Religiosität oder gänzlich weg von religiösen Einstellungen.
Die christlichen Kirchen zeigen sich unfähig, diese zunehmende weltanschauliche Pluralisierung zu akzeptieren. Statt diese Unfähigkeit zu kritisieren, machen Sie sich die einseitige Sichtweise der Kirche zu eigen und stellen die zunehmende Distanz zu religiöser Bindung als bedauerliche Entwicklung dar, der es entgegenzuwirken gilt.

Als gemeinnützige öffentlich-rechtliche Anstalt sind Sie der Meinungsvielfalt verpflichtet und sollten eine einseitige Positionierung vermeiden, besonders wenn diese als Kehrseite die Herabsetzung einer anderen Position hat, was hier leider gegeben ist. Distanz zur Institution Kirche und zu religiösen Überzeugungen als etwas Defizitäres darzustellen, ist eine Missachtung der Überzeugungen und des Selbstverständnisses all jener Menschen, die nach reiflicher und oft belastender Überlegung den Entschluss gefasst haben, Kirche und Religion den Rücken zu kehren.

Natürlich ist es das gute Recht der Eltern, ihre Kinder ihren eigenen Überzeugungen gemäß zu erziehen und sich auch Betreuungseinrichtungen zu suchen, in denen sie diese Überzeugungen wiederfinden.
Dadurch, dass Sie aber nicht klarstellen, dass es sich bei der Kindertagesstätte „Arche Noah“ in Speyer um eine Einrichtung in kirchlicher Trägerschaft handelt, erwecken Sie den Eindruck, das Praktizieren religiöser Rituale sei generell nachahmenswert.
In Speyer stehen zwar 13 nicht religiöse Kindertagesstätten 14 religiösen gegenüber, so dass man das Verhältnis als ausgewogen betrachten kann, dies ist in vielen Gegenden von Rheinland-Pfalz allerdings so nicht gegeben. Dadurch sind Eltern häufig gezwungen, ihre Kinder in religiösen Einrichtungen religiös beeinflussen zu lassen, weil sie zu wenig praktikable Möglichkeiten haben, ihre Kinder in Einrichtungen unterzubringen, die weltanschauliche Neutralität garantieren.

Dass Kirche missionieren will, gehört zu ihren ureigensten Zielen und dient dem institutionellen Machterhalt. Dass sie Kinder als sogenannte „religiöse Botschafter“ dafür instrumentalisieren will, Erwachsene zu missionieren, die im Laufe ihres bisherigen Lebens möglicherweise die Erfahrung gemacht haben, dass für sie Religion keine Hilfe zum Leben darstellt oder die Kirche aus gutem Grund verlassen haben, ist anmaßend und sogar ein bisschen lächerlich. Es offenbart fehlenden Respekt vor der mündigen Entscheidung der (erwachsenen!) Eltern dieser Kinder, ihr Leben ohne religiöse Fundierung zu meistern.
Öffentliche Berichterstattung sollte sich aber nicht vor diesen Karren spannen lassen, indem sie ein solches Vorgehen anerkennend darstellt.

Wir wissen sehr wohl um die Dominanz traditioneller Denkweisen in unserer Gesellschaft, halten es aber im Sinne einer unparteilichen Berichterstattung für unbedingt notwendig, dass Sie zukünftig sorgfältiger reflektieren, inwieweit Sie Ansichten reproduzieren, die die Ausgewogenheit Ihrer Beiträge zur öffentlichen Meinungsbildung gefährden.

 

Mit freundlichen Grüßen

Der Vorstand der Giordano-Bruno-Stiftung Mainz/Rheinhessen e.V.

 

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